Immer dann, wenn ein Skigebiet nicht künstlich erbaut wird, sondern sich an die natürlichen Gegebenheiten am Berg anpasst, ergeben sich teilweise durchaus herausfordernde Pistenformationen und –konstellationen. Vor allem dann gilt, beim Fahren Vorsicht walten zu lassen und die Geschwindigkeit sowohl dem eigenen Können als auch den örtlichen Umständen anzupassen und sich nicht ausschließlich auf externe Sicherungsmaßnahmen zu verlassen.
Das bedeutet aber keinesfalls, dass Pistenbetreiber jegliche Absicherungsmaßnahmen unterlassen können und sich die Verantwortung für Unfälle zur Gänze auf die Wintersportler übertragen lässt. Die sogenannten „Verkehrssicherungspflichten“ sind nämlich auch dann von Pistenbetreibern zu erfüllen, wenn Gefahrenstellen auf einer Pistenstrecke von weitem für einen aufmerksamen Sportler erkennbar sind.
Unter dem etwas eigenen Ausdruck der „Verkehrssicherungspflichten“ versteht man die Pflicht desjenigen, der eine Verkehrsfläche (damit sind nicht nur Straßen gemeint, sondern vielmehr jegliche begehbare und befahrbare Fläche, somit auch Skipisten) für andere zur Benützung zur Verfügung stellt, dafür Sorge zu tragen, dass Gefahrenstellen entsprechend abgesichert und gekennzeichnet werden. Befinden sich unerwartete Gefahrenstellen auf einer Verkehrsfläche, werden an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen noch höhere Anforderungen gestellt.
Mit der Frage, ob eine von weitem (180m) erkennbare scharfe, nach außen hängende Kurve am Ende einer Piste als eine solche unerwartete Gefahrenstelle zu beurteilen ist, musste sich vor kurzem der Oberste Gerichtshof (OGH) auseinandersetzen.
Der Sachverhalt stellte sich wie folgt dar: Ein durchaus geübter Skifahrer fuhr in großen Carving-Schwüngen mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit von 60 – 65 km/h eine steile Piste hinab. Am unteren Ende der Piste mündete diese in eine scharfe, nach außen hängende Kurve. An der Außenkante der Kurve grenzte ein steiler, bewachsener Abhang. Zur Absicherung der Kurve/der Kante wurden vom Pistenbetreiber Pfosten aufgestellt und ein Absperrband zwischen diesen Pfosten befestigt.
Der Skifahrer verkantete beim Einfahren in die Kurve und stürzte über die Böschungskante hinaus. Trotz Skihelm erlitt er schwere Kopfverletzungen, welchen er schließlich auch erlag.
Die Angehörigen des Skifahrers machten gegenüber dem Pistenbetreiber Schadenersatz in Form von entgangenem Unterhalt geltend und begründeten ihren Anspruch damit, dass der Pistenbetreiber die scharfe Kurve von dem dahinter liegenden steilen Abhang nicht nur mit einem Absperrband, sondern vielmehr mit einem Fangnetz hätte absichern müssen. Da das nicht geschehen ist, ist der Pistenbetreiber seinen Verkehrssicherungspflichten bei dieser unerwarteten Gefahrenstelle nicht nachgekommen.
Der Pistenbetreiber wandte ein, dass der Skifahrer mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und ein aufmerksamer Skifahrer die scharfe Kurve von weitem erkennen hätte können. Eine atypische Gefahrenstelle sei nicht gegeben und die Absicherung jedenfalls ausreichend gewesen.
Der Oberste Gerichtshof hielt in diesem Zusammenhang fest, dass Pistenbetreiber jedenfalls immer dann, wenn die Piste vor einer steilen mit einzelnen Bäumen und Büschen bewachsenen Böschung, als scharfe abhängende Kurve verläuft, die Pistenkante mit Fangnetzen absichern müssen. Eine Absicherung mit einem Absperrband ist selbst bei Erkennbarkeit der Kurve nicht ausreichend.
Weiters erklärte der OGH, dass auch den Skifahrer ein Mitverschulden zur Hälfte an dem Skiunfall trifft, da eine Geschwindigkeit von 60 – 65 km/h beim Zufahren auf eine von weitem ersichtliche, enge steile Kurve, selbst für einen geübten Skifahrer zu schnell sei.