In Zeiten einer nicht sonderlich belastbaren Wirtschaft ist jeder Unternehmer aber auch Private bemüht, sich für seine Forderungen entsprechende Sicherheiten zu verschaffen. Ein starkes Sicherungsmittel sind wechselseitige Forderungen, d.h. dass demjenigen, der einem etwa Geld schuldet, schlicht auch selbst Geld geschuldet wird. Sollte das Gegenüber nicht in der Lage ist, seine Schuld zu begleichen, zahlt man auch die eigene Verbindlichkeit nicht bzw. rechnet auf. Essentiell ist die Möglichkeit der Kompensation zweier Forderungen gerade dann, wenn einer der Schuldner in Insolvenz verfällt.
Die Insolvenzordnung erlaubt die Aufrechnung wechselseitiger Forderungen unter großzügigeren Umständen als noch außerhalb eines Insolvenzverfahren. Während vor Insolvenzeröffnung eine Aufrechnung nur zulässig ist, wenn die Forderungen richtig (d.h. wirksam entstanden), gleichartig (z.B. in beiden Fällen ein Geldbetrag), fällig und schließlich auch wechselseitig (d.h. nicht gegenüber einem Dritten) sind, verzichtet die Insolvenzordnung auf die Voraussetzungen der Gleichartigkeit und Fälligkeit, um den von der Insolvenz seines Gegenübers betroffenen Gläubiger besser zu schützen.
Die Aufrechnung erfolgt außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht automatisch sondern erst durch Erklärung durch einen der beiden Schuldner / Gläubiger. Für den Insolvenzfalls war bislang umstritten, ob es einer ausdrücklichen Erklärung bedarf, wo es doch in § 19 IO heißt, dass der aufrechnungsberechtigte Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren nicht anzumelden braucht. Zu dieser Frage hat es zuletzt zwei verschiedene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes gegeben und war auch die Lehre uneins über die richtige Auslegung und Vorgangsweise.
Nun hat ein verstärkter Senat des Oberstens Gerichtshofes (6 Ob 179/14p) die Unsicherheit durch eine Entscheidung zu Gunsten des Schuldners im Insolvenzverfahrens, sohin zu Lasten der als abgesichert vermuteten Gläubiger gefällt. Nach Ansicht des Höchstgerichtes bedarf es auch für den Insolvenzfall einer konkreten Aufrechnungserklärung. Sich als betroffener Gläubiger im Insolvenzfall beteiligungslos zurückzulehnen, erweist sich schon als riskant.
Wenn sich Vertragsparteien wechselseitig € 100,00 schulden, können die gegenseitigen Forderungen bzw. Verbindlichkeiten durch Aufrechnung kompensiert werden. Fällt aber ein Vertragspartner in Insolvenz und schließt mit seinen Gläubigern einen Sanierungsplan, wonach er "nur" 20% seiner Verbindlichkeiten bedienen muss, schuldet er seinem Vertragspartner nur noch € 20,00, während dieser weiterhin € 100,00 schuldet und sohin - obwohl er bislang vollständig "besichert" war - € 80,00 bezahlen muss. Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, muss der Gläubiger noch vor Bestätigung des Sanierungsplanes und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Aufrechnung erklären. Versäumt er dies, verliert er sein Sicherungsrecht im Ausmaß der durch die Sanierung erlassenen Quote.