Vertrauen ist gut …? Der Vertrauensgrundsatz im Wintersport

Leise rieselt der (langersehnte) Schnee – nunmehr auch im bislang immergrünen Tirol. Dieser Umstand lässt das Wintersportler-Herz zwar höher schlagen, aber mit dem Einzug der weißen Pracht ins Land steigt unweigerlich nicht nur die Frequenz auf den heimischen Pisten, sondern auch die Zahl der Skiunfälle, die neben leichterem und schwerem körperlichen Ungemach mitunter auch unangenehme rechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Grund genug sich aus gegebenem Anlass die Verhaltensregeln auf der Piste wieder einmal vor Augen zu führen:

 

Jedem heimischen Wintersportler sind die FIS-Regeln als Verhaltensregeln auf der Piste ein Begriff. Aus rechtlicher Sicht hat in diesem Zusammenhang vorweg eine Klarstellung zu erfolgen: Bei den FIS-Regeln handelt es sich nämlich nicht – wie irrtümlich oft angenommen – um gültige Rechtsnormen oder gar Gewohnheitsrecht, sondern um eine Zusammenfassung jener Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Skisports zu beachten sind. Ganz grundsätzlich hat sich jedermann und ‑frau (gleichgültig ob Skifahrer oder Snowboarderin) auf der Piste so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet wird. Weiters hat jeder Skifahrer kontrolliert zu fahren, das vor ihm liegende Gelände genau zu beobachten und seine Geschwindigkeit den Geländeverhältnissen anzupassen. Auch das Gebot des Fahrens auf Sicht und die Beachtung des Vorrangs des vorderen, langsameren Fahrers dürften hinlänglich bekannt sein. Darüber hinaus ist der Vertrauensgrundsatz – ähnlich den Vorschriften im Straßenverkehr – auch im Wintersport allgemein anerkannt, was der OGH auch jüngst in einer Entscheidung (8 Ob 90/15s) wieder betont hat.

 

Was ist nun unter dem Vertrauensgrundsatz konkret zu verstehen: Wie die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert auch die Ausübung des Skisports – nicht zuletzt aufgrund der mit technischem Fortschritt steigenden Geschwindigkeiten – ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Dennoch darf jeder Skifahrer darauf vertrauen, dass andere auf der Skipiste befindliche Personen ebenso wie er selbst die entsprechenden Verhaltensregeln befolgen. Davon ausgenommen sind jedoch wie im Straßenverkehr Kinder.

 

Im gegenständlichen Fall befanden sich der zum Unfallzeitpunkt 7-jährige Kläger und sein Bruder auf einem Hügel im Gelände außerhalb der Piste, etwa 2 m vom Pistenrand entfernt. Die Beklagte befuhr den Skiweg mit ihrem Snowboard und hielt zuletzt eine Geschwindigkeit von etwa 10 bis 15 km/h ein. Den Kläger und seinen Bruder hatte die Snowboarderin vor dem Unfall wahrgenommen, wobei die beiden einen abwartenden Eindruck auf sie machten. Aufgrund ihrer Position auf dem Snowboard bestand für die Beklagte in der Folge nur eingeschränkte Sicht. Der Kläger fuhr sodann von seiner Stillstandposition in den Skiweg ein und kollidiert seitlich mit der Beklagten, sodass beide zu Sturz kamen. Der Kläger begehrte Schadenersatz für seine Verletzungen und machte das Alleinverschulden der Snowboarderin am Unfallhergang geltend, da sie den vorschriftsmäßig fahrenden Kläger nicht beachtet habe.

 

Der OGH betonte in dieser Entscheidung neuerlich, dass der auch beim Skifahren geltende Vertrauensgrundsatz auf das verkehrsgerechte Verhalten von Kindern nicht bzw. nur beschränkt anwendbar ist. Trotz dieser Ausnahme dürfe der Grundsatz der Rücksichtnahme auf andere Skifahrer aber nicht überspannt werden. Von der Klägerin zu verlangen, keine Schwünge zu machen, durch die die beiden – außerhalb der Piste wartenden – Kinder aus ihrem Blickwinkel geraten könnten und ihre Geschwindigkeit so zu wählen, dass sie jederzeit vor den in die Piste einfahrenden Kindern hätte stehen bleiben können, befand letztlich auch der OGH als ausufernd.

 

Fazit dieser Entscheidung ist jedoch, dass gerade auf Kinder im Bereich der Skipiste besonders zu achten ist, da ein verkehrsgerechtes Verhalten von ihnen nicht erwartet werden kann und darf. Vertrauen ist folglich gut, Kontrolle – gerade was Kinder betrifft – auch im Wintersport besser.

 

 

Für Interessierte – Der Link zu den FIS-Regeln:

https://www.oesv.at/media/media_vereinsservice/media_fisregeln/fis-verhaltensregeln.pdf

Mit klaren Worten

Mag.jur. Katharina Fally

Auch im Wintersport gilt der Vertrauensgrundsatz: Auf ein verkehrsgerechtes Verhalten von Kindern dürfen Ski- oder Snowboardfahrer nicht oder nur beschränkt vertrauen. Dennoch muss eine Snowboardfahrerin nicht damit rechnen, dass ein siebenjähriger Skifahrer, der 2 m vom Pistenrand entfernt, außerhalb des gesicherten Skiraums stehen geblieben war, jederzeit wieder in die Piste einfahren könnte, ohne dabei auf andere Personen zu achten.

Mag. Katharina Fally

Zurück